Synchronisation als Ton-Bild-Verhältnis

5 Lichtton: An art of time

Ein grundlegender Wechsel in der Tonfilmtechnik ist mit dem Aufkommen des Lichttons zu verzeichnen. Vorläufer der Lichttontechnik sind zwar bis in das 19. Jahrhundert zurückzuverfolgen, aber die wichtigsten Entwicklungen dafür werden nach dem Ersten Weltkrieg gemacht: Prominente frühe Beispiele sind Lee DeForests Phonofilm in den USA und das System von Triergon in Deutschland.[19] Das Lichttonverfahren setzt sich um 1930 im Laufe der Umstellung der Filmproduktionen und der Kinos auf Tonfilm gegen die Nadeltonverfahren durch und wird bis heute noch verwendet. Ein Mikrofon wandelt beim Lichttonverfahren die Luftdruckschwankungen des Tons in Stromschwankungen um, die wiederum eine Lichtquelle modulieren, wodurch der Ton auf den gleichen Träger wie die Bilder, eben auf Film, als sich verändernde Schwärzung belichtet werden kann. Beim Abspielen tastet dann ein lichtempfindliches Bauelement, eine Fotozelle, diesen auf die Tonspur des Films einkopierten grafischen Ton-Film ab und wandelt ihn wiederum in Stromschwankungen um, die von Lautsprechern akustisch wiedergegeben werden. Während in den älteren Nadeltonsystemen zwischen den Bewegungen der Ton- und Bildapparaturen vermittelt werden muss, beruht die Synchronität von Lichtton – zumindest bei der Vorführung – wesentlich auf der Umwandlung und Übertragung von Tonsignalen über mehrere Instanzen. Ein zentrales Bauteil dieser Dematerialisierung des Tons in Signalübertragungs- und Speicherketten sind die Verstärkerröhren DeForests bzw. Robert von Liebens (beide 1906).[20]

Die Konsequenz der Nichtvereinbarkeit von intermittierender Bewegung der Bildspur und kontinuierlicher Bewegung der Tonspur findet sich hier in der Verschiebung des Tons zur Postion des Bildes auf dem Filmband um ungefähr eine Sekunde wieder. So kann das Filmband an verschiedenen Stellen des Vorführapparats einmal stetig und einmal ruckend bewegt und trotzdem gleichzeitig abgespielt werden. Wegen der festen Zuordnung auf der Fläche des Filmbands ergibt sich mit dem Lichtton eine von den Zufälligkeiten der jeweiligen Vorführungssituation weitgehend unabhängige technische Synchronität. Das Lichttonband (ohne Bild) ermöglicht zudem das Schneiden und Zusammenfügen, also eine Zeitmanipulation nach dem Modell der Bildmontage, die mit Nadelton nur mit relativ hohem Aufwand möglich wäre.[21] Mit der umfassenden Standardisierung und technischen Stabilisierung der Filmgeschwindigkeit als Folge der Tonfilmumstellung wird die Länge des Filmbands mit einem fest vordefinierten Zeitraum verbunden. Film bemisst sich nunmehr nicht mehr in Metern, sondern in Minuten und Sekunden als Spielraum für Bilder und Töne.[22] Kurz: Synchroner Ton macht aus dem Kino eine Kunst der Zeit.[23]

Der Lichtton bildet, zumindest historisch, das Medium der sich mit der Tonfilmumstellung auffächernden technischen und ästhetischen Praktiken der zeitlichen Ton-Bild-Koordination und daran anschließender Diskurse: Von der Filmklappe bis zu motorisierten Tonfilmschneidetischen und von Asynchronismus[24] bis Mickey Mousing. Der Zeichentrickfilm Steamboat Willie (1928) von Walt Disney zum Beispiel entwickelt praktisch wie auch thematisch bestimmte Aspekte dieses Mediums schon sehr früh.

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