Tanz als Audiovision

In der Geschichte des Tanzes bildet sein wechselndes Verhältnis zu Klang und Rhythmus ein wiederkehrendes Motiv choreografischer Erneuerung. Tanznotationen werden, beginnend im 16. Jahrhundert, häufig analog zur Notenschrift der Musik entworfen. In der Entwicklung des Bühnentanzes aus den Divertissements der Oper wird Tanz zunächst als visuelles Ornament der Musik verstanden. Im romantischen Handlungsballett des 18. Jahrhunderts wie auch im körperinneren Rhythmen folgenden Ausdruckstanz und Modern Dance des 20. Jahrhunderts übt die Musik eine dienende Funktion aus. Gleichberechtigt kommen beide Künste in den Uraufführungen der Ballets Russes zusammen. Mitte des 20. Jahrhunderts separieren Merce Cunningham und John Cage die Kompositionsprozesse von Choreografie und Sound und arbeiten erstmals mit Kopplungstechniken, über die der Tanz andere Medien beeinflusst. Seit den 1980er Jahren ermöglicht die Computertechnologie zunehmend, Klang direkt aus Bewegung zu generieren. Im Rahmen einer Hinterfragung der diskursiven Rahmenbedingungen einer Sprache des Körpers wird Sound seit den 1990er Jahren etwa von Jérôme Bel oder Xavier Le Roy eingesetzt. Verstärkt dienen notierte Partituren als Strategie der Kreation von Stücken.