Musiktheater

7 Musiktheater im Wechselspiel mit elektronischen und digitalen Bildmedien

Die interaktiven Formen des Musiktheaters, wie sie durch John Cage entwickelt wurden, bedeuteten nicht nur die Verwendung neuer technischer Mittel in der szenischen Realisierung von Musik, sondern führten auch zu grundsätzlich neuen medialen Verlagerungen der musikalischen Darstellungsmöglichkeiten. Nachdem der Komponist Robert Ashley zunächst sowohl Formen des interaktiven Musiktheaters wie des Instrumentalen Theaters übernommen hatte, entstand mit Music with Roots in the Aether (1975–1976) seine erste Oper für das Fernsehen, die nicht eine bloße Fernsehfassung einer Bühnenhandlung war, sondern die Fernsehtechnik als eigenständiges Medium der musikalischen Komposition erfasste.[13] Music with Roots in the Aether thematisiert das Komponieren von sieben verschiedenen Künstler – David Behrman, Philip Glass, Alvin Lucier, Gordon Mumma, Pauline Oliveros, Roger Reynolds, Terry Riley und Robert Ashley – in einer Art dokumentarischen Gestalt. Dennoch zielt dieses Vorgehen nicht auf bloße Abbildung, vielmehr wird das Schaffen von Musik hier zu einem sichtbaren und unmittelbaren Akt für den Zuschauer. Die zunächst scheinbar entrückte Musik der Avantgarde wird so zu einer theatralischen Handlung selbst, zu der sich das Publikum in Beziehung setzen kann. Dieses Grundmodell fand seine Fortführung zunächst in der für den Sender Channel 4 produzierten Oper Perfect Live (1979–1983) und schließlich in der mehr als 14-stündigen Opern-Tetralogie Now Eleanor’s Idea (1983–1993) mit den Teilen Improvement (Don leaves Linda), Foreign Experiences, eL/Aficionado und dem Titelstück Now Eleanor’s Idea, die Robert Ashley jedoch bislang nur für die Bühne produzieren konnte.

Die Entwicklung digitaler Bildmedien ermöglichte gegenüber der traditionellen Fernseh- und Videotechnik neue, flexible Gestaltungspotenziale. So können nicht nur völlig neue Raum- und Handlungskonzepte realisiert werden, es bietet sich auch die Möglichkeit einer spontanen Interaktion der unterschiedlichen Medien, die bislang durch technische und institutionelle Begrenzungen nicht realisierbar schien. Als ein exemplarisches Werk dieser Entwicklung kann das Video-Oratorium Paradiso (2001) des niederländischen Komponisten Jacob ter Veldhuis gelten, dem es gelingt, die traditionelle Gattung der Oratorienkomposition mit den Ausdrucksformen der VJ-Kultur zu verbinden.

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