Video, ein audiovisuelles Medium

7 Erweiterte Anwendungsbereiche von digitalem Video

Video in den neunziger Jahren bis zur Gegenwart zeichnet sich neben der Integration von Computern und der Übertragung von Videoprozessen auf digitale Rechner vor allem durch die Erweiterung des Videoeinsatzes auf multimediale Installations- und Objektkunst mit großformatigen Projektionen auf überlebensgroßen Screens aus.[10]

Insbesondere die prozessualen Videoarbeiten des Duos Granular Synthesis (Kurt Hentschläger und Ulf Langheinrich) bringen strukturelle Audiovisualität in abstrakt aufgelösten Formen zur Anschauung. Granular Synthesis arbeiten vorzugsweise mit dem technischen Verfahren der Granularsynthese[11], mit dem sie aufgezeichnetes Bild- und Tonmaterial einer Analyse bis in kleinste Elemente (Grains) unterziehen, um die aus solchen geräuschhaften Informationseinheiten gewonnenen Audio- und Videosamples neu synthetisieren zu können.

Auf diese Weise setzen sie beispielsweise in den Live-Performances von Model 5 (1994–1996) das zuvor aufgenommene und in kleinste Einheiten zerlegte Bild-/Tonmaterial von der Performerin Akemi Takeya in hoher Dichte neu zusammen. Dabei lassen sich Tonhöhe und Abspielgeschwindigkeit der Bilder eigenständig steuern.

David Stout hingegen wählt Noise als Ausgangsmaterial für die Bearbeitung. Mit computergesteuertem Feedback des Video-Rohmaterials Noise und in Closed-Circuit-Anordnungen entstehen im Ergebnis digitale Modulationen von geräuschhaften Energiefeldern (Noisefields), die wie Feedback im Video abstrakte Formationen bilden. Diese Prozesse realisiert Stout in seinen interaktiven Video-Noise-Performances (z. B. Signalfire, US 2003) mithilfe der Open-Source-Software Image/ine.

Dasselbe Programm verwendete auch Steina Vasulka in einem weiteren Entwicklungsschritt ihres Performance-Settings für Violin Power Ende der neunziger Jahre mit einem Laptop. Im technischen Anschluss an analoge Signalmodulation hat sie ihre Video-Violin-Live-Performances seit 1991 mit einer MIDI-Violine ausgeführt, um die Variabilität von elektronischem Bild und Ton in der Interaktion zu steigern.

Erst in den 1990er Jahren etablierte sich Videokunst erfolgreich im internationalen Ausstellungsbereich, während parallel ihre Präsenz auf Medienfestivals nachlässt. Diese wenden sich verstärkt interaktiven und netzbasierten Arbeiten zu, worin Video als Medium der Darstellung eingeschlossen ist. Die Anverwandlung von Video in vermischten Medienrealitäten wie Virtual, Augmented und Mixed Reality steht allerdings überwiegend im Zusammenhang mit Problemlösungen bei der Darstellung von Bewegung im digital konstruierten Raum, zeigt aber auch, dass Video ein spezifisches, elektronisches Vokabular entwickelt hat und mittlerweile als Referenzmedium für audiovisuelle Experimente in digitalen Medien anerkannt ist.

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